Teilprojekte

Der Wald als Kohlenstoffspeicher und Biodiversitäts-Hotspot im Hinblick auf Waldnutzung und Baumsterben.


Teilprojekt Biologie


Der Wald als Kohlenstoffspeicher und Biodiversitäts-Hotspot im Hinblick auf Waldnutzung und Baumsterben

Die Klima- und Biodiversitätskrise zählen zu den bedeutendsten Problemen des 21. Jahrhunderts. Waldökosysteme sind für die Bewältigung beider Krisen hochrelevant, da sie einen wichtigen Beitrag zur Kohlenstoffspeicherung leisten und eine hohe Biodiversität beherbergen können. Im biologischen Teilprojekt haben wir daher untersucht, ob es möglich ist, in Waldökosystemen gleichzeitig viel Kohlenstoff zu speichern und eine hohe Biodiversität zu erhalten oder zu fördern. Da Wälder in Europa eine lange Nutzungsgeschichte aufweisen und auch heute noch vom Menschen genutzt werden, ist es wichtig, auch die Aspekte mit einzubeziehen, die das Zusammenspiel von Kohlenstoffspeicherung und Biodiversität maßgeblich beeinflussen. Zu diesem Zweck haben wir Daten aus verschiedenen Projekten (europa- und deutschlandweit) zusammengetragen und analysiert. Unsere Ergebnisse zeigen, dass insbesondere das Bestandsalter eines Waldes und die Vielfalt von Totholzstrukturen positiv mit den Kohlenstoffgehalten in lebenden Bäumen und im Totholz sowie mit der Vielfalt der Tierarten im Wald zusammenhängen. Darüber hinaus geht eine höhere Waldnutzungsintensität mit einem geringeren Gesamtkohlenstoffspeicher und einem geringeren oberirdischen Kohlenstoffspeicher einher. Der unterirdische Kohlenstoffspeicher korreliert hingegen positiv mit steigender Waldnutzungsintensität.

In den Jahren ab 2017 wurden die Waldökosysteme maßgeblich durch Trockenheit und Hitzewellen beeinträchtigt. In manchen Gebieten sind daraufhin Bäume in großem Umfang abgestorben. Da dieses Phänomen relativ neu ist, haben wir im Darmstädter Stadtwald Daten gesammelt, um zu analysieren, welche Auswirkungen das Baumsterben auf Insektengemeinschaften und die von ihnen bereitgestellten Funktionen hat. Die Daten umfassen verschiedene Parameter, die die Waldstruktur repräsentieren, sowie Daten zu verschiedenen Organismen wie Käfern, Spinnen oder Wanzen. Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Biomasse und Diversität von Dungkäfern und Waldstrukturen, die vom Baumsterben beeinflusst werden. Dadurch wird wiederum die Dungabbaurate beeinflusst, die eine bedeutende Ökosystemfunktion darstellt. Zusätzlich dazu gibt es Unterschiede in den Gemeinschaften von Käfern, die mittels Flugfensterfallen gefangen wurden, in Relation zu verschiedenen Waldstrukturparametern (mittlerer Brusthöhendurchmesser der Bäume, Grundfläche der Bäume, Anteil nicht natürlicher Baumarten, Totholzvolumen, mittlere Kronenöffnung). Dieser Zusammenhang wurde in der Literatur bereits mehrfach bestätigt. Es fehlen jedoch Informationen darüber, wie sich die Gemeinschaften verändern. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die zugrunde liegende Zusammensetzung in Arten und Abundanz mit der Kronenöffnung korreliert. Außerdem verändert sich die Körpergrößenzusammensetzung der Käfer im Zusammenhang mit Veränderungen des mittleren Brusthöhendurchmessers der Bäume und des Anteils nicht-natürlicher Baumarten im Wald. Veränderungen der Käfergemeinschaft als Reaktion auf Veränderungen der Waldstruktur können somit durch die zugrunde liegende Struktur der Käfergemeinschaft, die Körpergrößenzusammensetzung und deren Reaktion auf Veränderungen der Waldstruktur erklärt werden.

Teilprojekt Linguistik


Diskursraum Wald: Verständnis und Vermittlung von Naturschutzmaßnahmen im Spannungsfeld von Klima- und Biodiversitätsschutz

Im linguistischen Teilprojekt untersuchen wir mit den Methoden der Diskurslinguistik und Framesemantik, was Menschen alles unter ‚Wald‘ verstehen und welche Konflikte sich aus unterschiedlichen Waldkonzepten und damit verbundenen Interessen der Waldnutzung ergeben. Dafür werten wir die öffentliche Kommunikation (Webseiten) von zentralen Akteuren im Wald aus, wie zum Beispiel von Landesforstämtern oder von Naturschutzorganisationen. Ausgangshypothese ist, dass diskursive Konflikte u.a. auf unterschiedliche Konzepte von ‚Wald‘ zurückzuführen sind. Unsere Analysen zeigen allerdings, dass die Konfliktlinien keineswegs klar zwischen Forstwirtschaft auf der einen Seite und Naturschutz auf der anderen Seite verlaufen. Umso problematischer ist, dass viele Akteure diese Polarität genau so annehmen. Dies erschwert den politischen Austausch und die Verständigung (vgl. Rhein 2024).


Herausfordernd ist die wachsende Nachfrage der Gesellschaft nach Holz (z.B. für nachhaltiges Bauen), während gleichzeitig gefordert wird, Wälder zugunsten von Artenvielfalt und Klimaschutz unangetastet zu lassen. Wir analysieren deshalb u.a., wie sich Forstämter in Bezug auf die Holzernte positionieren und wie sie für den Einsatz des sogenannten Harvesters, also von großen und schweren Erntemaschinen argumentieren: Überraschenderweise thematisieren die untersuchten Forstämter in ihren Texten eher gesellschaftlich kontroverse Themen, statt auf forstwirtschaftliche Fragestellungen zu reagieren (vgl. Rhein 2025).

Die Biodiversität der Wälder spielt eine entscheidende Rolle für das ökologische Gleichgewicht. Wälder sind nicht nur Lebensraum für viele Arten, sie speichern auch CO2 und Wasser, sorgen für ein kühles Innenklima, liefern Holz als wichtigen Rohstoff und bieten Erholungsraum für den Menschen. Für die Forstämter ist die politische Vorgabe, Biodiversität im Wald zu schützen und zu erhalten, eine große Herausforderung, sie beeinflusst das tägliche Entscheidungsverhalten bei Waldpflegemaßnahmen und Holzernte. Wir fragen uns auch hier, wie Forstämter dieses Dilemma nach Außen kommunizieren. Es zeigt sich, dass Biodiversität auf den Webseiten der Forstämter zwar thematisiert wird, jedoch nicht alle relevanten Indikatoren für Ökosystemdienstleistungen des Waldes angesprochen werden. Der Fokus liegt vor allem auf den für Laien gut nachvollziehbaren Indikatoren, wie Vogel- und Pflanzenarten, Pilzen und Holz (vgl. Nicolai/Lunow/Rhein i.V./2026).

Teilprojekt Politikwissenschaft


Politikfeld Wald – Waldbewirtschaftung, Klimaschutz und Biodiversitätsschutz in lokalen und nationalen Diskursarenen

Der Fokus des politikwissenschaftlichen Teilprojekts liegt auf Fragen der Politisierung sowie der Entstehung und Bearbeitung sozialer und politischer Konflikte rund um die Nutzung des Waldes. Dabei interessiert uns, welche Akteure ihre Interessen im/am Wald durchsetzen und welche Perspektiven hierbei verdrängt oder marginalisiert werden.

Wir analysieren den Diskurs von drei bundespolitisch relevanten Akteuren (Bundesregierung, Deutscher Forstwirtschaftsrat, Deutscher Naturschutzring) im Zeitraum von 1973 bis 2023. Diese Akteure haben wir ausgewählt, um ein möglichst diverses Spektrum an Waldnutzungsinteressen abzudecken. Unsere Untersuchung nimmt sowohl thematische Konjunkturen als auch spezifische Politisierungs-Ereignisse in den Blick, die eine Verschiebung des Diskurses um den Wald beeinflusst haben könnten. Dazu gehören neben ökologischen Ereignissen wie dem Waldsterben in den 1980er Jahren auch internationale Abkommen wie das Übereinkommen von Paris und das Aufkommen von sozialen Bewegungen.

Methodisch nutzen wir einen Mixed-Methods Ansatz, indem wir zunächst in einer quantitativen Analyse Worthäufigkeiten und Worttrends der drei Akteure über die Zeit und miteinander vergleichen. Anschließend nutzen wir die Erkenntnisse aus der quantitativen Analyse, um tiefer zu analysieren, welche Waldkonzepte (siehe Teilprojekt Linguistik) von der Regierung, der forstwirtschaftlichen Interessensvertretung und den Naturschutzverbänden vertreten werden, inwiefern sie sich in den letzten 50 Jahren verändert haben und was mögliche Gründe dafür sind.

Neben der historischen Diskursanalyse wollen wir auch den aktuellen Konflikt um den Wald besser verstehen. Dazu haben wir leitfadengestützte Interviews und Gespräche mit Akteuren aus Forstwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft geführt. Schwerwiegende Konflikte zwischen Klimaschutz und Biodiversitätsschutz konnten wir dabei nicht identifizieren. Stattdessen betonen alle Diskursteilnehmer:innen die Notwendigkeit, beide Bereiche zusammen zu denken und entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

Allerdings unterscheiden sich die vorgeschlagenen Maßnahmen und Instrumente deutlich. Während Akteure aus der Forstwirtschaft Anreizsysteme und größtmögliche Freiheit in der Gestaltung der Maßnahmen fordern, setzen Akteure aus dem Naturschutz auf strengere gesetzliche Mindestanforderungen in Kombination mit Förderungen für die Bereitstellung konkreter Ökosystemdienstleistungen. Alle Interviewteilnehmer:innen sind stark in den deutschen Diskursen verankert, verweisen aber auf wichtige Entwicklungen in der EU (z.B. Nature Restoration Law; EUDR; Natura 2000). Konflikte zwischen lokaler und nationaler Ebene werden vor allem daran deutlich, dass auf lokaler Ebene die Praxisferne der höheren Ebenen bemängelt wird. Des Weiteren gibt es Konflikte zwischen Jagd- und Forstinteressen, Nutzungs- und Erholungsinteressen sowie zwischen verschiedenen Erholungsinteressen (z.B. Ruhesuchende vs. Mountainbiking).